Wir haben gerade das Osterfest gefeiert und dem Leiden und Sterben von Jesus Christus gedacht. Seine Auferstehung bedeutet für die christliche Welt die Erlösung und Befreiung von Schuld. Das Schreckliche, das Leid und der Tod sind überwunden. Das Licht ist in die Welt getragen und der neue Bund mit dem Schöpfer, Gott, eingegangen. Die Gläubigen wissen alle, wie das gemeint ist. Aber wie wird dieser neue Bund gelebt?
Zwischen Ausgrenzung und Verstädnis
Wir haben gerade eine Freundin verloren. Sie war eine starke Frau, die polarisierte. Ihr Wesen und ihre Einstellungen waren für manche gewöhnungsbedürftig. Sie sagte ihre Meinung und teilte ihre Sichtweise ehrlich mit. Viele konnten damit nicht so richtig und ohne weiteres klar kommen. Es gab Auseinandersetzungen, Ausgrenzung, aber auch Wohlwollen und Verständnis. Was aber blieb, war dennoch eine Kluft. Diese Kluft zu überwinden ist in unserer Gesellschaft fast unmöglich.
Das Leben mit Höhen und Tiefen
Helene wurde 85 Jahre alt. Wenn man auf ihr Leben blickt, wir kannten sie ca. 30 Jahre lang, muss man feststellen, dass sie eine starke Frau war. Aufgewachsen war sie als Tochter von Geschäftsleuten. Sie erhielt in den schwierigen Zeiten, eine übliche Schulbildung und Erziehung. Die Familie erlebte Krieg und Entbehrungen. Als junge Frau lernte sie ihren Mann kennen, einen Mediziner, der einige Jahre älter war als sie. Es war eine große Liebe und sie hatten zusammen schöne Zeiten, leider aber keine Kinder. Von zwei Hunden erzählte Helene immer wieder liebevoll.
Als ihr Ehemann schwer erkrankte, pflegte sie ihn aufopfernd bis zu seinem Tod. Durch Bekannte und einen erfahrenen Seelsorger konvertierte sie zum katholischen Glauben und fand Anschluss an das Gemeindeleben. So hatte es damals zumindest den Anschein. Leider war diese Gemeinschaft nicht tragend genug. Helene konnte ihren Mann nicht vergessen und heute weiß man, dass sie keine ausreichende Trauerbewältigung gefunden hatte. Bis zu ihrem Tod lebte diese starke Frau alleine. Sie malte und diskutierte gerne mit wenig Freunden über aktuelle Themen. Helene fühlte sich ihrer gesellschaftlichen Stellung und den Versprechungen gegenüber ihrem verstorbenen Mann zeitlebens verpflichtet. Darüber wurde ihr Leben alles andere als einfach. Gegen Ende ihrer Lebenszeit verlor sie ihre Sehkraft, und konnte sich doch, abgesehen von kleinen Hilfen, bis zu ihrem Tod selbständig versorgen.
Gemeinsamer Urlaub
Meine Freundin war keine einfache Persönlichkeit und doch konnte ich den Kontakt zu ihr immer aufrecht halten. Wir schätzten uns gegenseitig und einmal nahmen wir sie sogar mit in den Urlaub. Diesen verlebte Helene lediglich mit uns im selben Kurort, d. h. unsere Familie wohnte getrennt von ihr. Wir genossen eine schöne Zeit zusammen.
Zu Hause besuchten wir uns viele Jahre lang gegenseitig, unterhielten uns über so manche Dinge und Themen. Wir stritten und lachten zusammen – bis die Tage kamen, die das Ende bedeuteten.
Ein letztes Aufbäumen
Jetzt war da eine Frau, die Hilfe ablehnte, durch alle gesellschaftlichen und rechtlichen Maschen stürzte. Sie war voll geschäftsfähig und hilflos zugleich. Außenstehend kann man in diese Situation nicht eingreifen. Dies wurde mir und meinem Mann sehr schmerzlich bewusst. Wir musste mit ansehen, wie ein Mensch sich selbst demontierte. Wir merkten und konnten mitfühlen, dass man als alter und kranker Mensch große Angst aushalten muss, depressiv und immer schwächer wird. Senile und demente Züge stellen sich ein. Dies sind gleichzeitig Stadien des Sterbens. Der kranke Mensch bäumt sich mit aller Kraft dagegen auf, bis nichts mehr geht… und der Tod eintritt.
Sie starb ohne Trost und ohne Beistand
Hat man seine Geschicke vorher nicht ausreichend geregelt, kann man seine Würde verlieren. In der letzten Schwachheit bedarf man einer liebevollen Hilfe, sozialer und seelsorgerischer Betreuung, ob man das will oder nicht. Es ist ein Segen, wenn man liebevolle, ehrliche und vertraute Menschen um sich hat. Man kann in geborgener Weise und ohne Leiden aus dem Leben scheiden.
Helene wollte nicht, dass man sie in ihrer Schwachheit erlebte und sie auch so sah. Sie lehnte Hilfestellungen, Versorgung und sogar Therapie ab. Sie verhielt sich grob und verletzte verbal ihre Helfer und sich selbst. So starb Helene ohne Trost und ohne Beistand. Mich als Freundin und Wegbegleiterin macht das Geschehene unsagbar traurig! Helene hat sich mit ihrer Handlungsweise nicht nur selbst verletzt.
Meine Trauerbewältigung ist nun dieser Bericht und ich hoffe, dass mein Schmerz dadurch gelindert wird. Durch Helenes Beispiel, kann man vielleicht viele, die alleine leben, vor einer so schlimmen oder ähnlichen Situation bewahren. Bitte geben Sie alle auf sich selbst Acht. Pflegen Sie ihre persönlichen Kontakte und regeln sie ihre Geschicke und ihren Nachlass, damit sie in der schweren Stunde nicht alleine sein müssen, sie würdevoll aus dem Leben gehen, Frieden und ihre letzte Ruhe wirklich finden können. Hinterlassen sie ein schönes und freudiges Bild von sich selbst, denn dann geht es ihnen und den Anderen gut. Dann erinnert man sich gerne an Sie und ihr Gedenken lebt weiter, mit allen Facetten, die sie persönlich ausmachten.
Leid überwinden & Abschied nehmen
Der folgende Text stammt aus dem Taschenbuch mit dem Titel „Jeder Tag ist ein guter Tag“, Minutenmeditationen von Adalbert Ludwig Ballig
Die Zeichen der Zeit erkennen
„Nicht das Evangelium ist es, das sich verändert;
nein, wir sind es, die gerade anfangen es besser zu verstehen.
Wer ein recht langes Leben gehabt hat,
wer sich am Anfang dieses Jahrhunderts den neuen Aufgaben einer sozialen Tätigkeit gegenübersah,
die den ganzen Menschen beansprucht,
wer wie ich zwanzig Jahre im Orient und acht Jahre in Frankreich verbracht hat
und auf diese Weise verschiedene Kulturen miteinander vergleichen konnte,
der weiß, dass der Augenblick gekommen ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen,
die von ihnen gebotenen Möglichkeiten zu ergreifen
und in die Zukunft zu blicken.“
Diese Worte, die wie ein „Geistliches Testament“ klingen,
sprach Papst Johannes XXIII. Wenige Wochen vor seinem Tod.
Worte eines weisen und frommen, eines weitsichtigen und toleranten Mannes,
der wie kaum ein anderer seiner Zeit „die Zeichen der Zeit“ erkannte. Worte, die auch heute so aktuell sind wie damals!
Video: Trauerbewältigung mit Gottes Hilfe
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Bildquellen:
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alter Frau wird die Hand gehalten: © Sandor Kacso – Fotolia.com
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