Lebhaftes Kind oder ADHS?

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Sie zappeln, turnen, hören nie zu, können einfach nicht stillsitzen und benehmen sich total daneben. Sie unterbrechen Gespräche, lassen Erwachsene nicht ausreden und sprengen jede gemütliche Runde. Kinder können einfach wild sein. Aber leidet jedes lebhafte Kind gleich unter dem Aufmerksamkeit-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (kurz ADHS), nur weil es sich nicht wie ein Erwachsener benimmt?

Gefühlt überdiagnostiziert, tatsächlich das Gegenteil

In den letzten Jahren ist ADHS immer wieder durch die Medien gegeistert. Unsere Kinder seien unglaublich ungezogen und aufmüpfig, sie könnten nicht mehr stillsitzen, seien zu kleinen Tyrannen und Zappelphilippen erzogen und außerdem sei das Essen an allem Schuld. Es ist unglaublich, wieviele Mythen und Missverständnisse sich um das Krankheitsbild ADHS ranken:

  • ADHS sei durch schlechte Erziehung verursacht
  • ADHS könne mit Therapien und Medikamenten geheilt werden
  • eine Ernährungsumstellung würde ADHS kurieren
  • zu viel Zucker und Schokolade verursache ADHS
  • die Erkrankung betreffe nur Jungen
  • ADHS gebe es nur in den unteren sozialen Schichten

Nichts davon ist wahr. Bei ADHS handelt es sich um eine neurobiologische Besonderheit, die betroffenen Menschen (Kinder wie Erwachsene) haben genauer gesagt eine Wahrnehmungsstörung. Und die ist erblich bedingt, hat mit Umwelteinflüssen, Erziehung und Ernährung schlicht nichts zu tun.

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Vom Erkennen zur Diagnose

Für die betroffenen Menschen ist es wichtig, dass sie so früh wie möglich diagnostiziert werden. ADHS kann nur durch eine umfassende Anamnese durch einen erfahrenen Psychotherapeuten festgestellt werden. Gespräche mit Eltern, Lehrkräften, Betreuungspersonal aus dem Kindergarten und dem übrigen Umfeld der Kinder und Jugendlichen sind dazu ebenso nötig wie ausführliche Beobachtungen der betroffenen Menschen. Erst aufgrund aller dieser Gespräche und Beobachtungen kann die Störung festgestellt werden.

Und auch dann ist nicht sicher, wie zu handeln ist: ADHS lässt sich durch Gesprächs- und Verhaltenstherapien nur leicht verbessern. Da die Störung nicht anerzogen ist, kann sie auch nicht wegerzogen werden. In den meisten Fällen greifen mehrere Maßnahmen ineinander: Der Umgang zwischen Eltern, Betreuungspersonal, Lehrkräften und Kind muss von grundauf umgestellt werden. Oft hilft es, übermäßig kohlenhydratlastige Lebensmittel (beispielsweise Süßigkeiten und Weißmehlprodukte) etwas zu reduzieren. Dazu kommen Medikamente, die genau da ansetzen, wo die Störung entsteht: sie regulieren die Wahrnehmung.

ADHS ist keine Volkskrankheit

Auch wenn es so scheint, als würde ADHS in den letzten Jahren immer öfter diagnostiziert und die Krankheit würde zunehmen: Dem ist nicht der Fall. Wie bei anderen Wahrnehmungsstörungen kann man davon ausgehen, dass etwa 5 % bis 10 % der Bevölkerung davon betroffen sind, Jungen wie Mädchen gleichermaßen. Es ist also davon auszugehen, dass die meisten Menschen immer noch nicht diagnostiziert werden, obwohl Lehr- und Betreuungspersonal inzwischen für die Symptome sensibilisiert werden. ADHS hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, es äußert sich bei Mädchen nur etwas anders.

Mädchen Ratgeber
Zu den Diagnosekriterien gehört eine Langzeitbeobachtung: Die betroffenen Kinder sind nicht nur einfach unkonzentriert und zappelig, sondern sind dies im Vergleich zu Gleichaltrigen sehr viel mehr. Sie unterbrechen Gespräche, sind dominant, sitzen auch bei hohem Interesse nicht still, führen angefangene Tätigkeiten nie zu Ende. Der Katalog an Symptomen ist lang, und erst dann, wenn viele davon zusammenkommen, kann ADHS nicht ausgeschlossen werden. Anders gesagt: Es ist völlig normal, wenn Kinder von Zeit zu Zeit turnen und zappeln, sich nicht konzentrieren können und sich schnell langweilen.

Nicht heilbar, aber in den Griff zu kriegen

Die Behandlung der von ADHS betroffenen Menschen durch eine individuell abgestimmte Therapie erleichtert nicht nur dem Betreuungs- und Lehrpersonal den Umgang, sondern erleichtert das Leben auch für die Betroffenen. ADHS wächst sich nicht aus und kann nicht geheilt werden, es kann aber gedämpft werden. Und nur dann, wenn das geschieht, ist für die Betroffenen normales Lernen in einem Klassenraum möglich.

Titelbild: © istock.com – spxmp

Über den Autor

Michaela Lieber

Seit Maximilian am 12. März 2010 das Licht der Welt erblickte, hat sich in meinem Leben viel verändert. Diese Erfahrungen teile ich gern. Als Redakteurin in meiner täglichen Arbeit, wie im privaten Umfeld.

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